Veröffentlicht am 19.03.2013 12:17

Sie glauben nicht, sie machen's selbst

Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk ist der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: pi)
Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk ist der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: pi)
Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk ist der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: pi)
Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk ist der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: pi)
Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk ist der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. (Foto: pi)

„Dianetik-Zentrum” steht über der Tür in der Gutzkowstraße 11. Den Begriff „Dianetik” hat Lafayette Ronald Hubbard (1911–1986) erfunden, Begründer der Scientology-Organisation. Scientology bezeichnet die Niederlassung in Laim als „Mission München-West”. Hierhin sind alle eingeladen, die ihr Leben verbessern wollen, es wird etwa mit kostenlosen Persönlichkeitstests, Vorträgen, Kursen und Einführungssitzungen geworben. Immer wieder werden hierzu auch Passanten auf der Straße angesprochen, zum Beispiel am Laimer Bahnhof. Scientology bezeichnet sich selbst als Kirche und Religion und als völlig unpoltisch.

Der Beauftragte für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Kirchenrat Pfarrer Dr. Wolfgang Behnk warnt vor Scientology: „Das ist eine gefährliche Psychoorganisation, die Menschen geistig, psychisch und materiell abhängig macht. Sie wird aus guten Gründen vom Staat als verfassungsfeindlich eingestuft und deshalb auch vom Verfassungsschutz observiert.” Die weltweite Zentrale sitze in Los Angeles, in München-Schwabing die deutsche und die bayerische Zentrale. Die „Missionen”, wie auch die in Laim, seien in der Hierarchie eine Ebene darunter.

Es gibt keinen Gott

„Kirche und Religion sind keine geschützten Begriffe”, erklärt Behnk. Scientology sei jedoch nicht als Religion einzustufen, weil es in der Lehre keinen Gott gebe: „Scientologen kommunizieren nicht mit Gott, sondern versuchen sich selbst zu gottähnlichen Übermenschen, Thetanen genannt, zu entwickeln”, so der Sektenbeauftragte. Es handle sich auch nicht um eine religiöse Sekte. Der Unterschied sei: Sekten glauben daran, dass etwas nach göttlichem Willen passiert (z.B. der Weltuntergang) - man könne ja auch getrost alle Menschen glauben lassen, was sie wollen, sagt Behnk. Aber die Scientologen seien dabei, die von ihnen gewünschte Weltordnung selbst herzustellen. Und dabei handle es sich laut glaubwürdiger Studien um ein totalitäres, faschistoides System.

Das Gefährliche sei, dass die angewandten Methoden sehr schnell abhänging machen könnten. Der am Anfang stehende Persönlichkeitstest offenbare stets Defizite, die durch Kurse und Einzelsitzungen, das sogenannte Auditing, behoben werden sollen. Auf der „Brücke zur totalen Freiheit”, wie die Scientology-Organisation ihr Psycho-Programm nenne, könne man mehrere 100.000 Euro loswerden. Noch schlimmer seien die geistigen und psychischen Auswirkungen des Programms: „Der Mensch verliert seine Persönlichkeit und wird zur kollektiven Wesenheit umfunktioniert”, erklärt Behnk.

Auf der Straße sprechen Mitarbeiter der Scientology-Organisation Passanten mit Hochglanzbroschüren, Büchern und DVDs an. Wenn die Begriffe „Scientology”, „Dianetik” oder der Name L. Ron Hubbard auftauchen, ist klar, mit wem man es zu tun hat. Doch Scientology wendet sich auch gegen Drogen und gegen die Psychiatrie - da erkennt man manchmal erst auf den zweiten Blick, dass es um Scientology geht.

„Aktivitäten konstant hoch”

„Die Aktivitäten von Scientology in München und auch in Laim sind nicht neu. Sie sind seit Jahren konstant hoch”, urteilt Axel Seegers, der Weltanschauungsbeauftragte der Erzdiözese München und Freising. Er könne Passanten nur raten, sich auf keinen Fall auf ein Gespräch einzulassen und auch nicht ihre Adresse preiszugeben. „Im Sinne des Bürgerengagements empfehle ich auch dazwischenzugehen, wenn man sieht, dass Jugendliche unter 18 Jahre angesprochen werden. Und dann sollte man uns informieren”, sagt Seegers (Telefon: 089/5458130, www.weltanschauungsfragen.de). Er betont, dass es nicht darum gehe, Religionen oder Weltanschauungen unter Verdacht zu stellen. Von der Scientology-Organisation sei aber bekannt, dass Methoden angewandt werden, mit denen ahnungslose Bürger übervorteilt werden und dass ihre Ziele eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung seien. Er wundere sich auch darüber, dass Scientology so häufig die Genehmigung erhalte, auf öffentlichen Plätzen Schriftenstände aufzubauen und Passanten anzusprechen.

Dazu sagt die Pressesprecherin des zuständigen Kreisverwaltungsreferats (KVR), Daniela Schlegel: „Solange es sich um keine verbotene Organisation handelt, haben wir keine rechtliche Grundlage, die straßen- und wegerechtliche Genehmigung zu verweigern.” Schätzungsweise drei bis vier Infostände pro Woche beantrage Scientology in München. Ablehnen könne das KVR nur, wenn die festgelegten Plätze in der Innenstadt schon von anderen Organisationen belegt seien. Auf seiner Internetseite weist das KVR auf die Scientology–Krisenberatungsstelle hin, Telefon 0180-1000042.

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