Veröffentlicht am 14.10.2013 16:59

Eine Römerstraße durch unseren Stadtbezirk?

Bild 2 (Foto: H. Bauer, Ausschnitt Dem.)
Bild 2 (Foto: H. Bauer, Ausschnitt Dem.)
Bild 2 (Foto: H. Bauer, Ausschnitt Dem.)
Bild 2 (Foto: H. Bauer, Ausschnitt Dem.)
Bild 2 (Foto: H. Bauer, Ausschnitt Dem.)

„Die Behringstraße ... und auch die Stieglstraße könnten zusammen mit der Servetstraße einer Hauptstraße des römischen Reiches aufliegen, die das Mutterland mit dem Grenzland an der Donau verband. In nördlicher Richtung führte sie in Richtung Rothschwaige weiter, in südlicher Richtung Pasing”, schreibt E. Rudolph in der alten Ausgabe seines Stadtteilbuches „Allach Untermenzing. Die Geschichte eines Stadtteils” (S. 179), die Neuauflage schweigt dazu. Die Wahrheit dieser Aussage galt es nun zu überprüfen.

Die Stieglstraße (Bild 1), die dafür nur in Betracht kommt, verläuft in etwa 300 m Entfernung parallel zur Würm von der Auenbruggerstraße bis zur Stuhlbergerstraße mit Gehweg zur Ernst-Haeckel-Straße. Sie liefert im Bezirksausschuss immer wieder einen Grund für Diskussionen, weil ihr Ausbau den heutigen Verkehrsansprüchen nicht mehr gewachsen ist. Keiner soll sich wundern über die Beschwerden, wenn diese Straße schon zur Römerzeit bestand, als es Allach noch nicht gab!

Mein geschätzter Kollege, der Römerstraßenforscher Dr. Hans Bauer, hat ein lesenswertes Buch über die römischen Fernstraßen in Bayern geschrieben und ist auf meine Anfrage hin zu folgendem Ergebnis gekommen: „Nach meinen Forschungen gibt es tatsächlich einen schriftlichen Beleg für eine Römerstraße durch den Raum Allach. Das Straßenstück durch Allach ist Bestandteil der Route 257 des Itinerarium Antonini” (Straßen- und Stationenverzeichnis des römischen Kaisers Caracalla).

Dieses Straßenverzeichnis vom Beginn des 3. Jahrhunderts nach Christus zeigt die wichtigsten römischen Reichsstraßen auf, aber auch noch zahlreiche Nebenstraßen, zu denen offensichtlich auch der Allacher Teil der oben angegebenen Route gehörte. Bauer sieht sie auf der Verbindung der beiden Straßenstationen im Raum Penzberg und Dachau (Bild 2), weil beide Stationen im römischen Straßenverzeichnis genannt werden. „Diese Straße kommt”, so Bauer, „von Partenkirchen her, durchquert den Raum Penzberg und führt auf der östlichen Seite des Starnberger Sees über Gauting nach Dachau.” Dort mündete sie vermutlich in die Fernstraße, die von Salzburg her kommend über Wasserburg und Dachau nach Augsburg führte. Bauer meint, dass die gesamte Route auf Anforderungen des römischen Heeres zurückginge, weil dieses eine schnelle und umweglose Fernstraße aus den Alpen zur Donau benötigte. Der genaue Trassenverlauf im Gelände ist jedoch nicht zweifelsfrei gesichert. Geländespuren fanden sich bei Rotschwaige, bei Karlsfeld wird sie nur vermutet; die „Allach-Untermenzinger Römerstraße” wird in ihrem Verlauf teils ohne Geländespuren gesehen, teils nur vermutet. Die Entdeckung von über 350 bajuvarischen Reihengräbern in der Nähe des heutigen Bahnhofs Allach belegt eine dichte Besiedlung im 7. Jahrhundert und könnte ein Hinweis auf eine Siedlung an einer noch vorhandenen Fernstraße sein.

Das für uns interessante Straßenstück orientierte sich am Verlauf der Würm zwischen Gauting und Dachau und verlief nach Gauting westlich des Flusses. Da die Römer aber eine möglichst hochwasserfreie Trassenführung bevorzugten (Bild 3), müsste die Straße in weitgehend sicherer Entfernung von der Würm angelegt worden sein. Das trifft zunächst für die Stieglstraße zu, im weiteren Verlauf nähert sie sich der Würm und erforderte vermutlich massiv unterbaute Dämme, um die Straße zu jeder Jahreszeit befahren zu können. Die Römerstraße kam für Ober- und Untermenzing etwa beim heutigen Autobahnkreisel in Obermenzing an und verlief dann ziemlich geradlinig nach Norden.

In Dachau führt heute die so genannte „Alte Römerstraße” am KZ vorbei Richtung Hebertshausen. Im Mündungsgebiet zwischen Würm und Amper war schon zur Römerzeit ein wichtiger Flussübergang, vermutlich damals schon als Brücke.

Nach diesen meist historischen Überlegungen und Belegen bemühte ich mich zunächst in der Archäologischen Staatssammlung, die sicher einen Besuch wert ist, um eine Stellungnahme und war ziemlich enttäuscht, weil man (Dr. Steidl) freundlich, aber bestimmt die Römerstraße in unserem Gebiet als nicht vorhanden erklärte. Nun stellte ich meine Frage an die Archäologie im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege „Können Sie mir behilflich sein, die „Wahrheit” um den Verlauf einer Römerstraße durch Allach-Untermenzing von Seiten der Archäologie zu ergründen?” und erhielt vorsichtige Antworten. Etwas verkürzt kann man aus der Sicht des für unser Gebiet zuständigen Archäologen (Dr. Pietsch) sagen, dass zwar die Römerstraße südlich und auch nördlich von Gauting im Gelände nachgewiesen werden kann, für eine Weiterführung nach Norden fehlen bis heute jede Nachweise. In den 50er Jahren hat man die heute unter der Stieglstraße verlaufende Straße deshalb als römerzeitliche Straße angesehen, weil sie auf der ältesten Bayernkarte von 1812 als Hochweg bezeichnet wurde. Der Hochweg verlief allerdings nicht wie bei römischen Straßen gerade. Da allerdings auch die schon erwähnte Straße vorbei an der Rotschwaige als einigermaßen gesichert gilt, muss aus meiner Sicht das fehlende Zwischenstück, wie und wo auch immer, durch unser Gebiet gegangen sein.

Mein Ergebnis lautet nun bis zum Beweis des Gegenteils in vermutlich nicht absehbarer Zeit:

Durch genaue Nachforschungen bin ich bei diesem Thema zwischen zwei wissenschaftliche Auseinandersetzungen geraten, die von Historikern und Archäologen betrieben werden. Der Historiker, das bin auch ich, sagt mir, dass es in unserem Gebiet eine Römerstraße gegeben hat, weil sie in dem Reisebericht „Itinerarium Antonini” erwähnt und mit Ortsnamen belegt wird. Der Archäologe sagt mir, dass nur ein Teil durch Grabungen belegt ist, der andere nicht (weil dort noch nicht gegraben wurde?). Es spricht jedenfalls aus meiner Sicht viel dafür, dass durch unseren westlichen Stadtteil im 4. Jahrhundert nach Christus in einiger Entfernung zur Würm, wahrscheinlich unter der Stieglstraße (Bild 4) mit südlicher und nördlicher Fortsetzung, eine Römerstraße Richtung Gauting und Dachau ging.

Müssen wir nun nach diesen Ergebnissen auch eine Straße unseres Stadtbezirks in „Alte Römerstraße” umbenennen oder dringen wir weiter auf einen verkehrsgerechten Ausbau der Stieglstraße?

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