Trotz besten Biergartenwetters waren alle Plätze besetzt, als Sabine Leutheusser Schnarrenberger in der Starnberger Bücherjolle ihr neustes Buch vorstellte. „Haltung ist Stärke“ ist der Titel des im Kösel Verlag aufgelegten Werks, aus dem die ehemalige Bundesjustizministerin Kostproben zum Besten gab. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden. Persönlich nicht etwa, weil es sensationelle Enthüllungen aus dem privaten Umfeld oder über die Politprominenz enthält, obwohl einige Anekdoten aus beiden Sphären durchaus zum Unterhaltungswert des Buches beitragen. Was das Buch und damit auch die Lesung so persönlich erscheinen lässt, sind die Konsequenz und die Leidenschaft, mit der die engagierte Ex-Ministerin liberale Werte und Überzeugungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nicht nur vertritt, sondern sogar vehement einfordert. Die Dringlichkeit ihres Anliegens wird mit dem Untertitel „Was auf dem Spiel steht“ umso deutlicher zum Ausdruck gebracht.
Und auf dem Spiel stehen in Anbetracht der jüngsten politischen Entwicklungen ihrer Meinung nach nicht nur wesentliche Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie, sondern besonders auch die Glaubwürdigkeit der Politik und ihrer Vertreter.
Zum Aufhänger ihres Plädoyers für mehr Rückgrat in der Politik macht die leidenschaftliche Juristin und FDP-Politikerin ihren eigenen, freiwilligen Rücktritt vom Amt der Justizministerin vor beinahe zwanzig Jahren. Da sie die Zustimmung ihrer Partei zum sogenannten „großen Lauschangriff“ des Koalitionspartners CDU nicht nur als Verstoß gegen geltendes Recht, sondern besonders auch gegen das liberale Parteiprogramm an sich und die eigene innere Überzeugung wertete, reichte sie unverzüglich ihren Abschied ein. Grundlegende politische Überzeugungen, so ihre Meinung damals wie heute, sind auch im Rahmen einer Mehrheitsfindung nicht verhandelbar, ebenso wenig wie die freiheitlichen Grundwerte der Demokratie.
Dieselbe aufrechte und konsequente Haltung macht Schnarrenberger in ihrem Buch zur Messlatte ihrer Analyse und Beurteilung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Großwetterlage. Angefangen bei der Flüchtlingskrise und die damit verbundene gefährliche Radikalisierung im gesellschaftlichen und politischen Diskurs bis hin zur Digitalisierung der Welt, die sie als die wichtigste Herausforderung künftiger Politik betrachtet, vertritt sie eine zutiefst liberale Haltung. Dabei muss sie ihre Argumentation keineswegs in abgehobenen philosophischen Sphären und auch nicht in parteipolitischer Loyalität suchen, sondern kann immer wieder sachlich und überzeugend auf bestehendes Recht verweisen. Schnarrenberger macht deutlich, dass es im Spannungsfeld von mühsam erworbenen bürgerlichen Freiheitsrechten und dem von Angst motivierten Bedürfnis nach staatlich garantierter Sicherheit, letztendlich nur eine Antwort geben kann, die da lautet: Verbesserung durch Ergänzung der gesetzlichen Grundlagen statt Verschärfung durch Eingrenzung. Denn die innere Sicherheit, so die Schlussfolgerung der Autorin, ist erst recht in Zeiten von Bedrohung durch Terror und politische Radikalisierung, ausschließlich auf Grundlage eines unumstößlichen Willens zur Freiheit möglich. Dieser aber beruht auf Stärke, die nur durch innere Überzeugung Glaubwürdigkeit erhält.
An der Glaubwürdigkeit von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger selbst konnte angesichts der temperamentvollen Lesung aus ihrem Buch jedenfalls kein Zweifel bestehen. Unterstützt wurde sie dabei von der klugen Moderation ihrer Parteikollegin Heike Barall-Quiring, die ihr thematisch die Bälle zuwarf, und dem perfekt organsierten, freundlichen Empfang, den Geschäftsführer Wolfgang Bartelmann seinem prominenten Gast in der Bücherjolle gewährte.