Veröffentlicht am 04.07.2017 09:05

Gegen alle Hörgewohnheiten


Von me
Der Musiker Gunter Pretzel ist künstlerischer Leiter des Echolot Festivals, das vom 7. bis 9. Juli in Schloss Kempfenhausen stattfindet. (Foto: Horst Konietzny)
Der Musiker Gunter Pretzel ist künstlerischer Leiter des Echolot Festivals, das vom 7. bis 9. Juli in Schloss Kempfenhausen stattfindet. (Foto: Horst Konietzny)
Der Musiker Gunter Pretzel ist künstlerischer Leiter des Echolot Festivals, das vom 7. bis 9. Juli in Schloss Kempfenhausen stattfindet. (Foto: Horst Konietzny)
Der Musiker Gunter Pretzel ist künstlerischer Leiter des Echolot Festivals, das vom 7. bis 9. Juli in Schloss Kempfenhausen stattfindet. (Foto: Horst Konietzny)
Der Musiker Gunter Pretzel ist künstlerischer Leiter des Echolot Festivals, das vom 7. bis 9. Juli in Schloss Kempfenhausen stattfindet. (Foto: Horst Konietzny)

Am kommenden Wochenende findet in malerischen Schloss Kempfenhausen zum zweiten Mal das „Echolot Festival für neue Musik“ statt. Die ungewöhnliche Konzertreihe gehört wie die „Junispiele schön jung“, die eben erst zu Ende gegangen sind, zu den spannenden Kulturprojekten, die Kulturmanagerin Elisabeth Carr mit ihren KunstRäumen am See auf den Weg bringt. Das Besondere an diesem Festival ist nicht nur die mutige Musikauswahl, sondern auch der einmalige Veranstaltungsort. Für das Echolot Festival steht den Veranstaltern das gesamte Schloss Kempfenhausen mit allen seinen Räumlichkeiten inklusive des wunderbaren Parks zur Verfügung. Begleitet wird das Musikereignis außerdem durch stimmungsvolle, poetische Licht- und Videoinstallationen im Innen- und Außenraum, die von der Videokünstlerin Manuela Hartel geschaffen werden.

Musikalischer Leiter des Festivals und damit ganz wesentlich für Konzeption und Auswahl der Künstler zuständig ist Gunter Pretzel. Der Bratschist ist seit 1984 festes Mitglied der Münchner Philharmoniker, beschreitet aber parallel dazu schon immer gerne eigene, und zum Teil höchst ungewöhnliche musikalische Wege. Zu seinen Projekten zählen Solo-Auftritte, Kammermusikensembles in verschiedensten Konstellationen ebenso wie Crossover-Formationen, oder die Organsiation von Symposien und Musiktagen. Seine besondere Vorliebe gilt jedoch der sogenannten freien Musik, der keinerlei Kompositionen zugrunde liegen, sondern aus Klängen entsteht, die das Instrument quasi aus sich selbst heraus erzeugt. Die Virtuosität des Musikers ist lediglich das Werkzeug, um diese Klänge herauszulocken und zuzulassen. Bei der Erzeugung solcher freien Klangbilder bedient sich Pretzel ausschließlich seiner Bratsche und eines hochleistungsfähigen Verstärkers, der die Töne in unbekannte Sphären zu katapultieren vermag. Eine Kostprobe seiner Musik ist auf dem Echolot Festival ebenso zu hören wie andere innovative musikalische Experimente. Das genaue Programm ist unter www.echolotfestival.de nachzulesen.

Wir sprachen mit Gunter Pretzel über das Konzept seines Echolot Festivals und seine Beziehung zur neuen Musik.

Ist ein „Festival der neuen Musik“ in der konservativ geprägten Region rings um den Starnberger See, wo das Publikum sich gegenüber Ungewohntem nicht unbedingt aufgeschlossen zeigt, nicht ein ungeheures Wagnis?

Natürlich war es ein Wagnis und wir waren uns auch gar nicht sicher, ob es überhaupt funktionieren wird. Nicht umsonst haben wir „neue Musik“ im Konzept bewusst mit einem kleinen Anfangsbuchstaben geschrieben. Wir wollten das Publikum nicht schon durch den Begriff abschrecken und in alle Richtungen offen bleiben. Das heißt aber nicht, dass wir das Publikum um jeden Preis schonen wollen. Im Gegenteil. Mit“ 48 Nord“ haben wir dem Publikum für den Anfang sogar ziemlich viel zugemutet. Die Reaktion war unglaublich. Nach anfänglichem Befremden konnte man förmlich spüren, wie die Zuschauer sich mehr und mehr öffneten und sich schließlich richtiggehend mitreißen ließen. Das war eine tolle Erfahrung und hat uns darin bestärkt,in diesem Jahr noch experimentierfreudiger zu sein

Das Motto in des 2. Echolot Festivals lautet „Nähe“. Was ist darunter zu verstehen?

Gemeint ist damit zunächst die räumliche Nähe. Das Festival findet vor der eigenen Haustür statt. Dahinter steckt aber auch der Wunsch nach innerer Annäherung, an die Musik, an die Umgebung, an die Menschen untereinander. Das gehört auch zu den erstaunlichen Erfahrungen aus dem letzten Jahr, beobachten zu können, wie zwischen den Zuschauern plötzlich eine Vertrautheit entstand, wie fremde Menschen miteinander ins Gespräch kamen. Manche haben sich sogar mit einer Picknickdecke in den Park gesetzt. Bei welchen Konzertveranstaltungen hat man sonst diese Bewegungsfreiheit?

Welche Rolle spielt das Schloss und der Park von Kempfenhausen bei den Konzerten?

Eine immense Rolle. Das Schloss mit seinen historischen Räumlichkeiten, der Rittersaal, der Schlosspark, tragen ganz wesentlich zur Atmosphäre, zur Stimmung und damit auch zum Hörerlebnis bei. Die neue, experimentelle Musik schafft selbst Klangräume, die mit allen Sinnen erfasst werden will. Die Lichtinstallationen und Videomappings von Manuela Hartel, die unsere Konzerte begleiten, verstärken diesen Effekt, indem sie entrücken und zusätzliche visuelle Reize schaffen.

Wie verhält sich ihre Liebe zur experimentellen freien Musik zu Ihrem Selbstverständnis als Orchestermusiker?

Ich war und bin ein leidenschaftlicher Orchestermusiker. Das Zusammenspiel im großen Ensemble besonders aber die Orchesterarbeit mit Sergiu Celibidache, den ich in meinen Anfangsjahren in München noch erleben durfte, hat meine Auffassung von Musik ganz wesentlich beeinflusst. Aber ich war immer auch neugierig auf Neues, auf Experimente, auf Verrücktes, obwohl einige Kollegen im Orchester solche Jobs kritisch beäugten. Dieses Denken in Schubladen – hier die seriöse, ernste, richtige Musik, dort die oberflächliche andere Musik – ist noch ziemlich verbreitet im Orchester. Hat mich aber nie interessiert. Ich habe viele eigene Projekte verwirklicht, das Debussy Trio gegründet das Crossover-Projekt „Bracc“ (6 Bratschen und 1 Klavier) angestoßen und lerne auch heute noch ständig andere Musiker kennen, deren Arbeit ich interessant finde. Aber mit den Philharmonikern spiele ich deswegen trotzdem immer noch sehr gerne . Das eine schließt das andere für mich nicht aus.

Über kaum ein Instrument werden unter Musikern mehr Witze gerissen als über die Bratsche. Sie selbst schreiben sogar auf der Webseite von bracc, dass die Viola eigentlich nur bemerkt wird, wenn sie fehlt, Wieso sind Sie trotzdem Bratscher geworden?

Bei mir war das Liebe auf den ersten Blick. Begonnen habe ich aber wie wohl die meisten Bratscher ganz klassisch mit der Geige und dann in Hamburg und später in Berlin Violine studiert. Damals – und vielleicht noch heute- musste man während des Studiums auch Bratsche lernen. Der volle, warme Ton der Bratsche berührte mich im Inneren sofort, fühlte sich für mich richtig an. Etwas Glück war auch dabei, denn ich durfte mir als erster der Klasse ein Leihinstrument aus dem Bestand der Hochschule raussuchen, und erwischte durch Zufall ein vorzügliches Exemplar. Von da an war ich Bratscher.

Planen Sie schon das 3. Echolot Festival?

Planen wäre zu viel gesagt. Jetzt warte ich erst mal ab, was in diesem Jahr auf dem Festival passiert. Wir experimentieren ja immer noch. Neue Ideen geistern in meinem Kopf andrerseits ständig herum und ich stehe im Kontakt mit tollen Musikern, die sehr spannende Sachen machen. Dass ich sie vielleicht für das nächste Echolot Festival gewinnen kann, ist dabei sicher auch ein Hintergedanke.

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