„Musik hat heilende Kraft. Hat die Fähigkeit, Leute für ein paar Stunden aus sich herauszuholen.” Diese Worte stammen von dem britischen Sänger Elton John und treffen genau, was die Musiktherapeutin Sophie Pudelek auf der Kinderonkolgie in Schwabing mit den jungen Patientinnen und Patienten umsetzt. Dass dies möglich ist, ist der Finanzierung durch die Initiative krebskranke Kinder München e.V. zu verdanken. Wir sprachen mit Sopie Pudelek über ihre Arbeit.
Seit April 2023 sind Sie für die Initiative krebskranke Kinder München e.V. tätig. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Sophie Pudelek: Die Zusammenarbeit mit der Initiative krebskranke Kinder München e.V. war eine sehr glückliche Fügung. Durch die pandemiebedingten Einschränkungen und Veränderungen war die Stelle für die Musiktherapie in der Kinderklinik Schwabing gerade nicht besetzt, als ich bei der Initiative an die Tür geklopft habe. Es war schnell klar, dass wir gut miteinander arbeiten können, da wir dieselben Ziele verfolgen: an Krebs erkrankten Kindern ein unterstützendes und stärkendes Angebot zu machen, um sie und ihre Familien bei der Bewältigung dieser oft existenziellen Krisensituation zu begleiten, ihnen Zuversicht und Halt zu geben, und sie spüren zu lassen, dass sie diesen Weg nicht alleine gehen müssen.
Warum ist Musik beim Behandlungs- und Heilungsprozess so wichtig? Was kann Musiktherapie erreichen, was andere Therapieformen nicht erreichen?
Sophie Pudelek: Durch die Diagnose Krebs werden die Kinder und Jugendlichen auf einen Schlag aus ihrem bisherigen Leben hinaus katapultiert und sind mit einer Vielzahl an körperlichen und psychischen Belastungen konfrontiert. Musik als therapeutisches Medium eignet sich besonders, um Gefühle und Stimmungen hörbar zu machen, ohne dass die Kinder oder Jugendlichen Worte dafür finden müssen. Musik bietet also Ausdrucksmöglichkeiten, die über die Sprache hinausgehen und kann als Sprache der Gefühle beschrieben werden. Gefühle wie Angst, Wut, Unsicherheit, aber auch Freude, Mut und einen starken Willen ganz unmittelbar und kreativ an den Instrumenten zum Ausdruck bringen zu können, das stellt für die jungen Patient*innen eine große Entlastung dar. Gleichzeitig kommt es dem grundlegenden Bedürfnis eines jeden Menschen nach, sich mitteilen zu können, gehört zu werden und sich verstanden zu fühlen. Daher ist es wichtig, neben der invasiven medizinischen Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung auch das emotionale Erleben der Kinder nicht zu vernachlässigen und ihnen Möglichkeiten zum Verarbeiten ihres Krankheitserlebens anzubieten. In der Musiktherapie kommen zu diesem Zweck viele verschiedene Instrumente mit sehr unterschiedlichen Klangqualitäten zum Einsatz. Denn manchmal ist den Kindern nach den leisen und zarten Klängen der kleinen Harfe, um ihre Unsicherheit hörbar zu machen, und ein anderes mal kann die Donnertrommel nicht laut genug sein, um sich den Frust von der Seele zu schütteln! Mit der Ocean Drum in eine Unterwasser-Klangwelt einzutauchen oder als spontan entstandene Band zusammen mit Mama und Papa ein Lied zu schmettern, all das durchbricht die Gefühle der Isolation während langer und kräftezehrender Krankenhausaufenthalte. Miteinander zu spielen, die Instrumente zu erforschen, gemeinsam Klängen zu lauschen, bekannte Lieder zu singen oder sich neue Lieder auszudenken knüpft an vorhandene Ressourcen an und ermöglicht den Kindern eine positive Selbstwahrnehmung und stärkt ihr Selbstwertgefühl. Und das ganz unabhängig vom Alter der Kinder oder ihren Sprachkenntnissen. Auch in Zeiten, in denen die Patient*innen nicht selber aktiv werden möchten oder können, hält die Musiktherapie Möglichkeiten bereit, entspannende, schmerzlindernde oder beruhigende Angebote zu machen, etwa durch spezielle Therapieinstrumente oder begleitendes Singen. Das ist sicherlich eine große Besonderheit der Musiktherapie.
Gibt es einen Unterschied zwischen der Musiktherapie bei Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zu Erwachsenen?
Sophie Pudelek: Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage, da die Musiktherapie sowohl im Kinder- und Jugendbereich, als auch im Erwachsenenbereich bei vielen verschiedenen Krankheitsbildern zum Einsatz kommt. Als Therapieziele liegt bei Kindern der Schwerpunkt oft auf der Förderung der emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklung. Ziele können die Förderung der Kommunikationsfähigkeiten, die Unterstützung in der Bewältigung von Angst oder Trauma und das Stärken des Selbstbewusstseins sein. Ich würde sagen, dass Kinder und Jugendliche noch einen sehr intuitiven und emotionalen Zugang zur Musik haben und viel leichter über ein zunächst absichtsloses Spiel Zugang zu ihrer Gefühlswelt finden. Die Neugierde auf ein fremdes Instrument, die Freude am Erforschen und Ausprobieren der Klänge, und vor allem das Bedürfnis sich mitzuteilen überwiegen meist den Gefühlen der Unsicherheit, vielleicht etwas falsch machen zu können. Dadurch ist es sehr viel leichter, miteinander in Kontakt zu kommen und die Themen zu bearbeiten. Bei Erwachsenen liegt der Fokus eher auf der Unterstützung bei der Verarbeitung tieferliegender emotionaler Themen, der Bewältigung von Stress oder Trauma und der Förderung von Selbstreflexion und Selbstausdruck. Erwachsene arbeiten oft gezielter an bestimmten emotionalen oder psychischen Themen. In der musiktherapeutischen Arbeit mit Erwachsenen ist der Prozess eher andersrum: oft arbeitet man sich über das Sprechen und die vielen Gedanken zu einem Thema hindurch zu einem vorsichtigen musikalischen Ausdruck. Der Weg zu einem freien Spiel an den Instrumenten muss erst wieder „ausgegraben” oder aufgedeckt werden. Der Zugang zur Gefühlswelt gelingt hier leichter über das Hören von Musik. Wenn der Kopf mit seinem Gedankenkarussel zur Ruhe kommen kann und mit Hilfe von Musik Entspannung erlebt wird, dann ist auch der Raum zum Fühlen und sich Spüren offen. Doch das Wunderbare an der Musiktherapie ist, dass die Musik sowohl als Ausdruck über das aktive musikalische Gestalten, als auch als Eindruck über das Hören ihr Potential entfalten kann.
Was lernen Sie von den jungen Patientinnen und Patienten?
Sophie Pudelek: Ich kann von den jungen Patient*innen sehr viel lernen! Trotz ihrer Krankheit und der oft belastenden Behandlungen zeigen die Kinder eine außergewöhnliche innere Stärke und Widerstandskraft. Sie nehmen Herausforderungen oft mit einer erstaunlichen Gelassenheit und jede Möglichkeit zum Lachen und Freuen dankbar an. Diese Resilienz beeindruckt mich immer wieder sehr! Ein Kind, das krank ist, schätzt oft die kleinen Freuden des Lebens mehr als gesunde Menschen. Zeit miteinander zu haben, ein gemeinsames Spiel, ein Lächeln, ein schöner Klang oder eine kurze Zeit ohne Schmerzen können sie glücklich machen. Das mitzuerleben hilft mir, mich auch in meinem Alltag daran zu erinnern, wie wichtig die kleinen alltäglichen Freuden sind, die oft schon so selbstverständlich erscheinen. Kinder haben die besondere Fähigkeit, im „Hier und Jetzt” zu sein. Sie konzentrieren sich auf den gegenwärtigen Augenblick, ohne sich zu sehr mit der Zukunft oder den Sorgen des nächsten Tages zu beschäftigen. Der Moment zählt! Und das ist auch mein größtes Erstaunen und die größte Freude im Arbeiten: wenn die Krankheit und das Sich-Erleben als Patient*in während der Musiktherapie ganz in den Hintergrund rückt, und die neugierigen, phantasievollen und willensstarken Anteile der Kinder und Jugendlichen den Moment erfüllen.
Die Initiative krebskranke Kinder München e.V., gewährleistet durch die Bezahlung von psychosozialem Personal – Psychologen, Sozialpädagogen, Erzieher, Kunst- und Musiktherapeuten, Ernährungsberatung, Sportprojekt – die bestmögliche Versorgung der jungen Patienten. Die Initiative trägt zudem zur Ausstattung der Kinderkrebsstation bei, zum Beispiel durch die Einrichtung einer Elternküche oder Anschaffung von Spielmaterial, und sie unterhält zwei Elternwohnungen in unmittelbarer Kliniknähe. Finanziert wird das alles über Spenden. Die Initiative krebskranke Kinder München e.V. versteht sich als Interessensvertreter der Familien und hat in den letzten Jahren wichtige neue Hilfsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt.
Wer den Verein unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto der Initiative krebskranke Kinder München e.V. spenden:
Hypo-Vereinsbank München, IBAN DE83 7002 0270 0002 4400 40