Besucher des Deutschen Museums können bis Freitag, 7. März, eine KI-Installation erleben, die einem angeblich die Wahlentscheidung abnimmt.
Sie ist im Science Communication Lab in der Eingangshalle des Museums, Ebene -1, aufgebaut – gleich hinter der aktuellen Sonderausstellung „Licht und Materie”.
Das kleine Experiment wirkt verstörend – und das soll es auch. Die Installation „Smile to Vote” ist ein Kunst-Projekt, das zum Nachdenken anregt. Zum Nachdenken über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – und darüber, wie viel die KI schon jetzt über uns weiß. Oder zu wissen scheint.
„Ihre Stimme für die Partei XY bei der Bundestagswahl wurde registriert. Vielen Dank.” Das steht auf dem DIN-A-4-Zettel, den die Maschine ausspuckt, nachdem man in die 'Wahlkabine' gegangen ist, den Vorhang zugezogen hat und anschließend mit einer Kamera gescannt wurde.
Stimmabgabe per Gesichtserkennung – davon sind wir noch weit entfernt. Das Projekt soll Menschen aber auch nicht die Wahlentscheidung abnehmen, sondern sie zum Nachdenken bringen.
„Eine der Kernfragen ist: 'Wie viel persönliche Freiheit bin ich bereit aufzugeben für die Bequemlichkeit'”, sagt Alexander Peterhänsel. Er ist Professor für „Visual Computing” an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden und hat diese Installation entwickelt. „Der Moment, in dem der Algorithmus einen einsortiert und darüber entscheidet, was man ist, wie man denkt und wie man sich in Zukunft verhalten wird und einem die Entscheidungsgewalt beim Wählenabnimmt, ist schmerzhaft – und soll auch ganz bewusst schmerzhaft und schockierend sein”, erklärt er.
Doch auf welcher Basis entscheidet die KI, was man wählt? Peterhänsel und sein Team haben die KI trainiert mit Bildern von Politikern, die in deutschen Parlamenten sitzen. „Wir gehen davon aus, dass jemand, der für eine bestimmte Partei in einem Parlament sitzt, diese Partei dann auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wählt.” Die KI versucht also, bestimmte Muster in der Physiognomie von Parlamentariern zu erkennen und leitet daraus ab, welche charakteristischen Gesichtszüge mit einer bestimmten Parteienpräferenz einhergehen.
Dass diese Maschine dann noch einen Schritt weitergeht und gleich die Stimme für die Bundestagswahl abgibt, ist natürlich Unsinn.
Aber was wäre, wenn wir der KI erlauben, über unsere Lebenswege zu entscheiden? Peterhänsel sagt: „Dann gäbe es auch keinen Grund mehr, selbst eine politische Entscheidung zu treffen. Dann bräuchten wir auch keine Wahlen mehr und unsere Vorstellung, dass wir uns als Individuen ändern und weiterentwickeln können, wäre hinfällig.”
Peterhänsel geht es darum, den Besuchern ein Problem zu verdeutlichen: „Wir müssen uns überlegen, wie wir mit diesen Technologien in Zukunft umgehen und wie wir sie vielleicht auch regulieren müssen, wenn wir unsere Kultur und Selbstbestimmung erhalten wollen.”
Mit der Installation verknüpft ist die Internetseite eines fiktiven Start-Ups https://smiletovote.com/, die dafür wirbt, Wahlvorgänge in Zukunft zu automatisieren – sozusagen eine Fake-Firma, deren Aussagen dazu geeignet sind, Menschen Angst zu machen. Die Wahlkabine selbst ist eher verstörend als bedrohlich – und man geht das Risiko ein, mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, Politikern einer Partei offenbar ähnlich zu sehen, die einem alles andere als sympathisch sind.
In Selbstversuch von Museumsmitarbeitern hatte die KI übrigens nicht recht mit ihrer Wahlentscheidung. Im besten Fall heißt das wohl, dass Physiognomie und Parteienpräferenz nichts miteinander zu tun haben. Und es legt nahe, dass KI einem Menschen aktuell nicht ansehen kann, wen er wählt – was ja eine gute Nachricht ist. Es spielt übrigens auch – anders, als der Name „Smile to Vote” suggeriert – keine Rolle, ob man lächelt oder grimmig schaut, wenn man in der Wahlkabine gescannt wird. ;-)