Veröffentlicht am 29.06.2022 00:00

Den Schmerz verstehen und aushalten


Von red
Im Aktivraum können trauernde Kinder durch Malen und Basteln ihre Gefühle verarbeiten. Links im Bild ist Tobias Rilling. (Foto: Johanniter)
Im Aktivraum können trauernde Kinder durch Malen und Basteln ihre Gefühle verarbeiten. Links im Bild ist Tobias Rilling. (Foto: Johanniter)
Im Aktivraum können trauernde Kinder durch Malen und Basteln ihre Gefühle verarbeiten. Links im Bild ist Tobias Rilling. (Foto: Johanniter)
Im Aktivraum können trauernde Kinder durch Malen und Basteln ihre Gefühle verarbeiten. Links im Bild ist Tobias Rilling. (Foto: Johanniter)
Im Aktivraum können trauernde Kinder durch Malen und Basteln ihre Gefühle verarbeiten. Links im Bild ist Tobias Rilling. (Foto: Johanniter)

Lacrima wurde 2002 in München gegründet. Diakon Tobias Rilling hatte damals bei einem Kinderzeltlager einen kleinen Jungen kennengelernt, der gerade seinen Vater verloren hatte. Als er dann nach Hilfsangeboten für trauernde Kinder suchte, musste er feststellen: In München gab es keine.

„Der Junge wirkte so, als hätte er schreckliches Heimweh, doch wie sich herausstellte, war es Trauer“, erinnert sich Rilling. „Wir
waren sehr betroffen und versuchten, die Situation pädagogisch zu meistern. Darum boten wir eine Fackelrunde für die Kindergruppe des Jungen an. Es war berührend zu erleben, welch große Solidarität, Zuwendung und Verständnis er von den anderen Kindern bekam und wie viel Druck dadurch von ihm abfiel.“

Inzwischen über 20 Standorte

Gemeinsam mit Ehrenamtlichen gründete Tobias Rilling nach einer Ausbildung zum Lebens- und Trauerbegleiter Lacrima (lateinisch für Träne) und bot erste Gruppenstunden an. „Ziel war es, ohne eigene Betroffenheit ein fachlich fundiertes pädagogisches Konzept anzubieten, um Kinder und Jugendliche, die ein enges Familienmitglied verloren haben, einfühlsam und zugleich kompetent durch ihre Trauer zu begleiten.“

Fünf Jahre später übernahm die Johanniter-Unfall-Hilfe die Trägerschaft von der Evangelischen Jugend und das Münchner
Lacrima-Team half mit, dass an immer mehr Standorten bundesweit Ehrenamtliche ausgebildet und eine Trauerbegleitung angeboten werden konnte. Heute gibt es alleine in der Region München elf Lacrima-Gruppen. Bundesweit begleiten die Johanniter mittlerweile an über 20 Standorten trauernde Kinder und Familien. Rund 255 Menschen haben sich bislang bei den Johannitern in der Trauerbegleitung für 1600 Kinder und Familien engagiert.

Spezielle Räume für trauernde Kinder

Im Jahr 2016 bezog das Lacrima-Team in München mit Hilfe einer privaten Stiftung erstmals Räume, die speziell und dauerhaft auf die Bedürfnisse trauernder Kinder und ihrer Angehörigen ausgerichtet sind. Im Gruppenraum erleben trauernde Kinder, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleine sind, im Snoozleraum können sie sich zurückziehen, im Kreativraum kann Trauer durch Kreativität verarbeitet werden und im Aktivraum darf auch mal die Wut herausgelassen werden.

„Bei uns bekommen betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, gleich welcher Nationalität, religiöser, ethnischer
und sozialer Zugehörigkeit, einen geschützten, vertrauensvollen Raum, um mit ihrem Verlust umzugehen“, betont Tobias Rilling. „Bei den Gruppentreffen alle 14 Tage werden sie mit Achtsamkeit von geschulten Ehrenamtlichen begleitet.“ Kinder trauern anders als Erwachsene, weiß der 57-Jährige. „Manchmal sind Kinder richtig sauer auf den Verstorbenen, weil dieser sie verlassen hat. Gerade jüngere Kinder drücken ihr Leid nicht unbedingt durch Weinen aus, sondern sehr viel über Spielen, Malen, Schreien und Toben.
Manche schlafen schlecht, haben keinen Appetit mehr, ziehen sich zurück oder sind plötzlich aggressiv.“ Bei Lacrima geben die Johanniter den unterschiedlichen Bedürfnissen einen Rahmen. Etwa durch Erlebnisse in der Natur oder mit Tieren, in den Ruhe-, Aktiv- und Kreativräumen und bei Gesprächen.

Natürlich und wichtig

„Die Kinder erfahren, dass Trauer natürlich und wichtig ist. Und dass sie sich nicht schuldig zu fühlen brauchen, wenn sie auch mal fröhlich sind. Durch all dies kann jedes Kind in Ruhe den richtigen Weg für sich finden, seine Trauer bewältigen und seinen schweren Verlust auf gesunde Weise ins weitere Leben integrieren“, so Rilling, der mit seinem ehrenamtlichen Team während der Gruppenstunden auch die Angehörigen berät und ihnen die Möglichkeit gibt, sich miteinander auszutauschen.

Das 20-jährige Bestehen von Lacrima wurde am 25. Juni mit einem Gottesdienst und einem Fest gefeiert. Petra Reiter, Lacrima-Botschafterin und Ehefrau des Münchner Oberbürgermeisters, betonte in diesem Zusammenhang: „Den Gründern, Diakon
Tobias Rilling und seinem Team, ist es zu verdanken, dass die Begleitung trauernder Kinder und Jugendlicher an Bedeutung gewonnen hat. Die Trauer aus der Tabuzone der Familie und in einen gesellschaftlichen Kontext zu setzten, ist im Umgang mit dieser heftigen Grenzerfahrung enorm wichtig. Kinder brauchen jemanden, der die Trauer und den Schmerz versteht und nicht gleich eine Lösung parat hat, sondern aushält und dadurch Wege aus der Trauer in das Leben zeigt. Das macht das Team der Johanniter bei Lacrima.“

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