Rot-Blau gegen Weiß-Blau, Vorstadt gegen Großstadt, Börsenclub gegen Investorenverein ‒ es gibt viele Möglichkeiten, das kleine Derby im Münchner Fußball zu beschreiben. Fakt ist: Wenn an diesem Sonntag, um 14 Uhr, in der 3. Liga vor ausverkauftem Haus die SpVgg Unterhaching auf den TSV 1860 München trifft, dann kämpfen zwei Mannschaften mit unterschiedlichem Saisonziel gegeneinander.
Die Vorstädter haben im Sommer ‒ als zweiter deutscher börsennotierter Fußballklub nach Borussia Dortmund ‒ Geld von risikofreudigen Anlegern eingesammelt. 6,7 Millionen Euro an Investorengeldern sollen über die Zeichnungsphase hereingekommen sein. Durch eine weitere Privatplatzierung hofft die Spielvereinigung, insgesamt bis zu zwölf Millionen Euro an der Münchner Börse einwerben zu können. Ziel des Klubs ist es, mit diesem Budget innerhalb von drei Jahren in die 2. Bundesliga aufzusteigen, der Haching zuletzt 2006/07 angehörte. So interessiert die Börsianer sich zeigen, so wenige Besucher kommen nach wie vor in den 15.053 Zuschauer fassenden Unterhachinger Sportpark. Im Schnitt nur knapp über 3.000 Fans begrüßen die Rot-Blauen zu ihren Heimspielen, der viertniedrigste Wert in der 3. Liga. Am Sonntag ist das Rund in dieser Saison dagegen erstmals ausverkauft, wenn der TSV 1860 München zum Nachbarschaftsduell anreist.
Sportlich liegt die SpVgg Unterhaching in dieser Saison auf Kurs. Zwar hat man in den vergangenen Wochen einige Unentschieden angehäuft, wenig Tore geschossen und zuletzt in Magdeburg klar mit 0:3 verloren. Ein starker Saisonstart hält die spielfreudige Mannschaft von Trainer Claus Schromm, der wie Präsident Manni Schwabl und einige Spieler eine Vergangenheit beim TSV 1860 hat, aber weiter in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen. Im Sportpark gelang den Vorstädtern gleichwohl seit dem 21. September kein Dreier mehr, zuletzt gab es zwei torlose Remis am Stück vor heimischer Kulisse. Ob nun ausgerechnet im Prestige-Duell gegen den deutschen Meister von 1966 der Knoten platzt?
Sieben Zähler weniger als Haching haben die Münchner Löwen aktuell auf dem Konto. In Giesing heißt das Ziel laut dem sportlichen Geschäftsführer Günther Gorenzel, eine von Abstiegssorgen freie Saison zu spielen. Sechs Punkte trennen die Löwen nach zuletzt drei Spielen ohne Niederlage von den bedrohlichen Rängen. Auf der Bank des TSV 1860 München sitzt mit Michael Köllner seit kurzem ein neuer Trainer. Der frühere Nürnberger Bundesliga-Aufstiegscoach soll das Team nach dem Rücktritt von Daniel Bierofka formen. Sein Debüt feierte der gebürtige Oberpfälzer im Derby gegen die millionenschwere Reservemannschaft des FC Bayern, das schiedlich-friedlich 1:1 endete. Der sportliche Vergleich mit der SpVgg Unterhaching dürfte ähnlich anspruchsvoll werden. Kaum ins Gewicht fallen sollte dabei die Tatsache, dass die Löwen sechs ihrer acht Auswärtsauftritte verloren haben: Stimmungstechnisch werden die Blauen ein Heimspiel haben, zumal nur fünf Kilometer den Hachinger Sportpark vorm Grünwalder Stadion trennen.
Im Bayerischen Toto-Pokal trafen beide Vereine in dieser Saison übrigens bereits aufeinander: Das Viertelfinale im Grünwalder Stadion entschieden die Gastgeber aus Giesing nach Elfmeterschießen mit 4:3 für sich. Auch in der Saison 2018/19 hatten die Löwen mit einem 1:1 im Hachinger Sportpark und einem 1:0-Heimsieg im Rückspiel insgesamt die Nase vorn im Derby Giesing gegen Haching, das eine durchaus lange Tradition hat: Schon in den 1980er Jahren, also zu Bayernliga-Zeiten, maßen sich die damals tief gefallenen Sechzger mit dem Emporkömmling aus dem Vorort, der so manches Mal die Nase vorn hatte. Um die Jahrtausendwende war Haching gegen 60 dann sogar für zwei Spielzeiten ein Bundesliga-Duell. Lange ist es her... as/bs