Neugierde für eine andere Kultur wecken, Förderung des Verständnisses für die Verschiedenheit von Menschen, Empathie für die Herausforderung in einer fremden Gesellschaft anzukommen - all das klingt nach hoch gesteckten Zielen für ein Projekt in einer dritten Klasse, lässt sich aber mit spielerischen Mitteln viel leichter verwirklichen, als es zunächst klingen mag.
Die Klasse 3 a der Camerloher-Grundschule in Ismaning ließ sich auf eine entsprechende Erfahrung ein. Bevor sie im Laufe des Vormittags einen senegalesischen Bootsbauer bei der Arbeit besuchen, werden sie zunächst im Klassenzimmer auf die Begegnung vorbereitet. Eine entscheidende Komponente ist dabei sicher der Einstieg: Omar, ein junger Mann aus dem kleinen Staat Gambia, bestreitet die ersten 15 Minuten ausschließlich auf Wolof, der Hauptsprache Gambias und Senegals. Er gibt Unterricht, begrüßt die Kinder, fordert sie auf ihren Namen an die Tafel zu schreiben und so weiter.
Erst dann wird die Verwirrung aufgelöst und ausgewertet. Das Gefühl der Fremdheit und der Hilflosigkeit, wenn man kein Wort einer Sprache versteht, wird von der Klasse benannt. Im weiteren Verlauf werden einige Wörter auf Wolof gelernt, Gambia und der Senegal auf einer Landkarte gesucht, spielerisch Kultur und Landeskunde angeschnitten. So lautet beispielsweise die Antwort auf "Wie geht es dir?" in Wolof "Maa ngi fi", was wortwörtlich bedeutet "Ich bin einfach hier", im übertragenen Sinne "mir geht es gut". Viel schöner hingegen ist die Begrüßung "Salaamaalekum", die von einer Schülerin mit tunesischen Wurzeln gleich als "Friede sei mit dir" übersetzt werden kann.
Warum sprechen Menschen aus dem Senegal und Menschen aus Gambia Wolof - und warum verstehen sie trotzdem nicht alles, was der andere sagt? Solche Fragen beschäftigen die Klasse, die sodann einige Fragen sammelt, die dem Bootsbauer Djibril gestellt werden sollen. Der zweite Teil des Vormittags schließlich findet in der Bootsbau-Werkstatt mit Djibril und seinem Freund Sidy statt, die hier ein fünf Meter langes original senegalesisches Fischerboot herstellen. Laut ist es, wenn die beiden Männer hämmern und nageln. Reinhild Mertens, die für die Klasse verantwortliche Ganztagsbetreuerin des Kreisjugendrings München-Land, bemüht sich, ihren Schülern Gehör für deren Fragen zu verschaffen. Neben Fragen nach der Familie und rund um den Bootsbau geht es auch um den Alltag im Senegal. Dort gibt es Menschen, die nicht lesen und schreiben können - und es gibt Kinder, die mit zwölf Jahren zu arbeiten anfangen. Es geht auch um die Hoffnungen und Träume des Bootsbauers, der sein Leben lang nichts anderes machen wollte als Boote bauen und trotzdem sein Heimatland verlassen und seine Tochter noch nie gesehen hat.
Später kommt dann der Ismaninger Bürgermeister Alexander Greulich zu Besuch. Die Begrüßung "Salaamelekum" versteht er noch, dann muss er sich im Gesprächsdurcheinander dem Wechsel zwischen Deutsch, Französisch, Wolof und Englisch hingeben. Alle Beteiligten konnten aus diesem Vormittag profitieren und neue Anregungen mitnehmen. Als die Schüler der dritten Klasse gefragt werden, ob es ihnen Spaß gemacht hat, gehen jedenfalls alle Daumen nach oben - auch der von Omar, der als Hilfslehrer fungiert hat und, genauso wie Djibril und Sidy, die Chance hatte, die Kompetenzen von geflüchteten Menschen zu zeigen.
Astrid Hummeltenberg