Veröffentlicht am 13.02.2025 11:25

Versuchter Mord in 39 Fällen: Attentäter in Haft


Von red
Mit diesem Mini Cooper fuhr der 24-Jährige in die Menschenmenge und versuchte, 39 Menschen umzubringen. Am Tag danach kämpft ein zweijähriges Mädchen, das der Attentäter schwer verletzte, weiter um sein Leben. (Foto: Matthias Balk / BRK)
Mit diesem Mini Cooper fuhr der 24-Jährige in die Menschenmenge und versuchte, 39 Menschen umzubringen. Am Tag danach kämpft ein zweijähriges Mädchen, das der Attentäter schwer verletzte, weiter um sein Leben. (Foto: Matthias Balk / BRK)
Mit diesem Mini Cooper fuhr der 24-Jährige in die Menschenmenge und versuchte, 39 Menschen umzubringen. Am Tag danach kämpft ein zweijähriges Mädchen, das der Attentäter schwer verletzte, weiter um sein Leben. (Foto: Matthias Balk / BRK)
Mit diesem Mini Cooper fuhr der 24-Jährige in die Menschenmenge und versuchte, 39 Menschen umzubringen. Am Tag danach kämpft ein zweijähriges Mädchen, das der Attentäter schwer verletzte, weiter um sein Leben. (Foto: Matthias Balk / BRK)
Mit diesem Mini Cooper fuhr der 24-Jährige in die Menschenmenge und versuchte, 39 Menschen umzubringen. Am Tag danach kämpft ein zweijähriges Mädchen, das der Attentäter schwer verletzte, weiter um sein Leben. (Foto: Matthias Balk / BRK)

In der Nähe des Stiglmaierplatzes hat am Donnerstag, 13. Februar, der 24-jährige Afghane Farhad N. gegen 10.30 Uhr sein Auto - nach seinen eigenen Angaben bewusst - in eine Verdi-Kundgebung gefahren. Er verletzte 39 Menschen, davon acht schwer und zwei weitere lebensgefährlich. Ein zweijähriges Mädchen im Haunerschen Kinderspital befindet sich in kritischem Zustand auf der Intensivstation. Die Polizei beschrieb seinen Zustand am Freitag als „schwerstverletzt”, ohne weitere Details zu nennen.
Einen Tag nach dem Anschlag geht die Staatsanwaltschaft von einem islamistischen Anschlag aus. Bei seiner Festnahme habe der in München wohnende Afghane „Allahu akbar” gerufen und „gebetet”, so die Leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann. Es gebe aber keinen Bezug zu einer extremistische Vereinigung oder Mittäter. in einem Chat habe der Mann am Tag vor dem Verbrechen geäußert, „vielleicht bin ich morgen nicht mehr da.”

Die Bundesanwaltschaft zieht den Fall an sich

Wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernahm am Freitag (14. Februar) die Bundesanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Farhad N. von der Generalstaatsanwaltschaft München. Sie spricht von 39 Verletzten und erklärte:
„Gegen den Beschuldigten besteht der dringende Verdacht des versuchten Mordes (§ 211 Abs. 2 StGB), der gefährlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 StGB) und des schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 StGB). Ihm wird zur Last gelegt, am Vormittag des 13. Februar 2025 einen Pkw gezielt in eine Ver.di-Veranstaltung in der Münchener Innenstadt gelenkt und dabei mindestens 39 Personen zum Teil lebensgefährlich oder schwer verletzt zu haben. Es besteht der Verdacht, dass die Tat religiös motiviert war und als Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verstehen ist. Damit ist sie geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (§ 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GVG). Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden vom Bayerischen Landeskriminalamt fortgeführt.”

    Im LMU Klinikum – am Campus Innenstadt mit dem Dr. von Haunerschen Kinderspital und am Campus Großhadern – wurden 14 Verletzte des Anschlags versorgt. Vier Patienten mussten sofort operiert werden. „Sowohl in Großhadern als auch in der Innenstadt waren Teams mit jeweils 25 Mitarbeitenden im Einsatz“, bestätigt Prof. Wolfgang Böcker, Direktor der Unfallchirurgie. „In der Innenstadt haben wir bis zu drei Schockräume parallel betrieben. Wir danken allen Beteiligten für ihre schnelle und professionelle Arbeit.“

    Haftbefehl wegen 36-fachen versuchten Mordes

    Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann gab den Stand der Ermittlungen am Freitag wieder. Der Attentäter wurde zwei Stunden verhört, seine Mietswohnung und andere Anlaufstellen durchsucht, Kollegen und sein Umfeld befragt, seine Handy und seine Accounts in „sozialen” Medien ausgewertet und analysiert. „Wir stehen aber wirklich noch am Anfang”, so Tilmann. Die Vernehmung sei nicht abgeschlossen.
    Auf Instagram habe sich Farhad N. als „Athlet” und „Fitnessmodel” bezeichnet und auch „religiöse Beiträge” gepostet. Noch am Tag seines Anschlags äußerte sich der 24-Jährige zu seiner Motivation. „Was er dazu gesagt hat, würde ich als religiöse Begründung zusammenfassen”, berichtete Tilmann. Er habe aber „nicht gesagt, dass er Ungläubige töten wolle”. Näheres wollte sie zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen nicht dazu sagen.
    Die Social-Media-Accounts des Attentäters wurden noch am Tag des Anschlags unzugänglich gemacht. Das sei aber nicht von den Behörden veranlasst worden, so Guido Limmer, Vizepräsident des Landeskriminalamtes: „Ich kann, nicht sagen wer es gemacht hat.”

    Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft dem 24-jährigen Afghanen versuchten Mord in 39 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr vor und geht von den Mordmerkmalen der Heimtücke, der niedrigen Beweggründe und gemeingefährlichen Mittel aus. Farhad N. wurde am Freitag um 16 Uhr dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht München vorgeführt. Dieser erließ den Haftbefehl und ordnete Untersuchungshaft an. Der Mann wurde an eine bayerische Justizvollzugsanstalt überstellt. Oberstaatsanwältin Tilmann fasste keine vorläufige psychiatrische Unterbringung des Täters ins Auge, da es bei diesem keine Hinweise auf psychische Probleme gebe.

    Polizei verhinderte noch Schlimmeres

    Der Vizepräsident der Polizei, Christian Huber, hatte noch am Donnerstag Details zum Tathergang mitgeteilt. Demnach habe ein Polizeifahrzeug das hintere Ende der Verdi-Kundgebung abgesichert. Die Versammlung mit etwa 1.500 Teilnehmern befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum Abschlusskundgebungsort in Richtung Königsplatz. Von hinten habe sich ein Mini Cooper genähert, auf Höhe des Polizeiwagens beschleunigt und sei dann in die Menschenmenge gefahren. Polizisten gaben einen Schuss auf den Wagen des Attentäters ab. Der Mann wurde rasch überwältigt. Er war leicht verletzt, hatte aber keine Schussverletzung.
    Huber dankte seinen Kollegen für ihr unmittelbares Eingreifen. Sie haben damit wohl noch Schlimmeres verhindert: Nachdem das Auto Personen überfahren und dadurch in der Menschenmenge zum Stehen gekommen war, habe der Attentäter versucht, noch einmal Gas zu geben, so Huber. „Es war nicht so, dass der Täter von sich aus gleich aufgegeben hat, sondern man hat ihn aus dem Fahrzeug geholt.”

    Da zahlreiche Einsatzkräfte u.a. mit Verkehrsmaßnahmen die Verdi-Versammlung begleiteten, konnten bei den Verletzten sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet werden. Die Rettungskette, so Huber, habe sehr gut funktioniert. Viele Menschen seien aber traumatisiert. Ihnen legte Huber nahe, die Hilfe, die u.a. mit Krisentelefonen angeboten werde, anzunehmen.
    Während des Einsatzes gab es laut Huber technische Störungen im Einsatzleitsystem der Einsatzzentrale. Diese haben aber zu keinen Beeinträchtigungen vor Ort geführt.

    Attentäter war nicht ausreisepflichtig

    Der Attentäter war 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag war hier abgelehnt worden war. Laut Oberbürgermeister Dieter Reiter war der Mann nicht ausreisepflichtig, weil er in Beschäftigung war und daher eine Duldung hatte. Seit 2021 hatte er einen gültigen Aufenthaltstitel. Daher habe er sich rechtmäßig in Deutschland aufgehalten.
    Wegen kleinerer Delikte - Innenminister Joachim Herrmann sprach zunächst von Ladendiebstahl und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz - sei der Mann polizeibekannt. Er und die Münchner Polizei korrigierten am Donnerstagabend, der Täter sei polizeibekannt aufgrund von Verfahren, „in denen er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Ladendetektiv als Zeuge geführt” wurde. In Bayern wurde daneben ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs gegen ihn geführt und gegen eine Geldauflage eingestellt.
    Wenige Stunden nach dem Anschlag wurde eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Parkstadt Solln durchsucht, in dem der Afghane gewohnt haben soll.

    Am frühen Abend kam Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach München, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Sie kündigte an, der Rechtsstaat müsse „maximale Härte zeigen”. Die Bundesregierung habe die Gesetze zur Ausweisung von Gewalttätern „massiv verschärft”. Dies müsse jetzt konsequent durchgesetzt werden.

    Gutes Zusammenwirken der Rettungskräfte

    Neben Polizei, Feuerwehr und regulärem Rettungsdienst wurden auch ehrenamtliche Katastrophenschutzeinheiten der Münchner Hilfsorganisationen alarmiert. Das Münchner Rote Kreuz war mit 54 ehrenamtlichen Einsatzkräften im Einsatz, um den regulären Rettungsdienst zu unterstützen und eine bestmögliche Versorgung der Betroffenen sicherzustellen. Insgesamt waren 61 Kräfte des Münchner Roten Kreuzes vor Ort. Die ehrenamtlichen Sanitäterinnen und Sanitäter der Bereitschaften verließen größtenteils ihre Arbeitsstellen, um schnellstmöglich Unterstützung zu leisten.
    „Die Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte hat sehr gut funktioniert. Dank des Zusammenspiels von haupt- und ehrenamtlichen Retterinnen und Rettern konnten wir eine schnelle und effektive Versorgung der Betroffenen sicherstellen. Dieses Engagement und die enge Kooperation aller beteiligten Organisationen zeigen, wie wichtig ein starkes Netzwerk im Katastrophenschutz ist”, erklärt Jürgen Terstappen, Leiter der Bereitschaften beim Münchner Roten Kreuz.
    Besondere Verantwortung übernahmen die ehrenamtlichen Kräfte der SEG Betreuung. Sie waren für die Zeugensammelstelle der Polizei verantwortlich und sorgten gemeinsam mit den Kräften des ASB dafür, dass unverletzte Betroffene im Löwenbräukeller in einem geschützten Umfeld auf ihre Zeugenaussage warten konnten. In solchen Momenten ist es nicht nur entscheidend, medizinische Hilfe zu leisten, sondern auch psychologische Unterstützung anzubieten. Die Teams des Roten Kreuzes standen den Betroffenen mit Gesprächen und emotionaler Betreuung zur Seite, um ihnen in dieser belastenden Situation beizustehen.

    „Trifft München ins Herz”

    Oberbürgermeister Dieter Reiter
    Oberbürgermeister Dieter Reiter machte sich am Mittag gemeinsam mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich vor Ort ein Bild. Dabei sagte Reiter: „Heute ist ein schwarzer Tag für München. Ich kann sagen, dass meine Gedanken bei allen Verletzten und Schwerstverletzten sind. Ich hoffe, dass sie alle überleben werden und wieder gesund werden.”
    Reiter sagte weiter: „Es ist auch so, dass es zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mir sind, da es eine Versammlung der Gewerkschaft Verdi war und dort viele Kolleginnen und Kollegen von mir von der Stadtverwaltung München dabei waren. Auch das bedrückt mich sehr. Wir können jetzt nur alles dazu beitragen, unter anderem beispielsweise den Aufenthaltsstatus des Täters aufzuklären. Wir werden unseren Teil dazu beitragen. Ansonsten müssen wir auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten. Ich will auch Danke sagen an die Polizei und an die Sicherheitskräfte, die Feuerwehr, die sehr sehr schnell für die Abtransporte der Verletzten gesorgt hat. Wie gesagt: Ein bitterer Tag für München heute.“

    Ministerpräsident Markus Söder
    „Es ist einfach furchtbar und schmerzt so sehr”, sagte Ministerpräsident Markus Söder am Tatort. „Wir fühlen mit allen Opfern und beten für die Verletzten und alle Angehörigen. Danke an die Einsatzkräfte für das schnelle und entschlossene Eingreifen. Klar ist: Wir reagieren immer besonnen – aber wir sind auch entschlossen. Es ist nicht der erste Anschlag dieser Art. Anteilnahme und Aufarbeitung sind wichtig. Es muss sich aber in Deutschland auch grundlegend etwas ändern.“

    2. Bürgermeister Dominik Krause
    „Diese schreckliche Tat trifft München mitten ins Herz. Ich bin schockiert und tief erschüttert. Meine Gedanken sind bei den Verletzten und ihren Angehörigen und Freunden”, äußerte sich Münchens 2. Bürgermeister Dominik Krause: „Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung sind unter den Verletzten. Menschen, die sich täglich darum kümmern, dass unsere Stadt funktioniert - ob in den Kitas oder der Müllabfuhr. Etliche der Teilnehmer hatten ihre Kinder dabei. Das macht die Tat umso abscheulicher.”

    north