Der am Mittwoch, 30. Oktober, in der ARD gezeigte Beitrag „Unter Missbrauchsverdacht“ über einen ehemals in Oberhaching tätigen Erzieher macht viele in der Gemeinde sehr betroffen. „Kindesmissbrauch ist eines der schäbigsten Verbrechen und darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Jedes Opfer verdient unser Mitgefühl“, sagt Bürgermeister Stefan Schelle. Doch bei aller Wichtigkeit des Themas enthält der Bericht nach Ansicht der Gemeinde eine Reihe falscher Tatsachenbehauptungen. Der Vorwurf, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde oder der Bürgermeister persönlich hätten jahrzehntelang weggeschaut, verharmlost oder gar vertuscht, ist nicht wahr. Die Gemeinde prüft rechtliche Schritte.
Das Wohl und der Schutz der Kinder in den gemeindlichen Einrichtungen sind den Verantwortlichen sehr wichtig. Es wird alles getan, um die Gefahr von Missbrauch oder auch nur Grenzverletzungen auszuschließen. Nach Ansicht der Gemeinde ist es bedauerlich, dass der WDR dieses wichtige Thema für eine Skandalisierung und Personalisierung instrumentalisiert.
Tatsächlich hat die Gemeinde nach der Ausstrahlung eines ersten Beitrags im Juli 2023 über Vorwürfe gegen den Erzieher an dessen früherem Arbeitsplatz in Norddeutschland mit Unterstützung einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei sämtliche Verdächtigungen und Gerüchte in der Vergangenheit noch einmal intensiv aufgearbeitet. Zusätzlich hat auf Bitte der Gemeinde die Fachaufsicht im Jugendamt des Landkreises München gemeinsam mit Elternvertretern und den Leiterinnen der Einrichtungen alle tatsächlichen Einsatzzeiten von 2018 bis 2023 mit den Dienstplänen und den Daten der elektronischen Zeiterfassung abgeglichen. Darüber hinaus wurden die Schutzkonzepte überprüft, ob sie tatsächlich einen wirksamen Schutz auch für personelle Engpässe in den Einrichtungen bieten. Das Kreisjugendamt kommt zu dem klaren Ergebnis, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung von Kindern durch den Mitarbeiter gegeben war. Die Behörde bestätigt auch, dass die Gemeinde Mutmaßungen oder Gerüchten immer sorgfältig nachging, ohne dass dies jemals zu Erkenntnissen über konkrete Tatsachen geführt hätte.
„Es ist sehr bedauerlich, dass wir aufgrund von Datenschutz und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte nicht vollumfänglich informieren konnten, auch nicht zu den persönlichen Hintergründen oder Motivlagen der vom WDR interviewten Personen. Kein einziger der im Beitrag genannten Fälle war für uns neu, alle waren Gegenstand unserer Aufarbeitung“, sagte Bürgermeister Stefan Schelle. Die Gemeinde hatte über Monate das Gespräch mit der Journalistin gesucht. Dies hat sie abgelehnt, ebenso ein vertrauliches Gespräch, in dem man differenzierter über dieses Thema hätte sprechen können.
In der Folge enthält der Beitrag nachgestellte, zum Teil erschreckend wirkende Szenen, die von beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus den Kindertageseinrichtungen gänzlich anders bewertet werden. Nachweislich wurde der im Beitrag gezeigten Kinderpflegerin nicht gekündigt. Ein Wechsel der Einrichtung ist Praxis, wenn Kinder oder Eltern sich dort nicht wohl fühlen, unabhängig vom Grund dafür. Auf keinen Fall aber, um Verdachtsfälle zu vertuschen, wie im Beitrag behauptet. Bei den Ermittlungen 2018 wiederum gab es zwei Erzieher mit dem gleichen Vornamen. Der im Fokus stehende Erzieher war jedoch zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht in der Einrichtung.
Allein auf der Basis von Gerüchten oder Mutmaßungen sind keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen oder gar eine Kündigung rechtswirksam möglich. Das bestätigt ein aktuelles juristisches Gutachten auf der Basis der Personalakte, in das aufgrund von Persönlichkeitsrecht und Datenschutz keine Einsicht gewährt werden darf. Das Gutachten kommt zu dem Schluss: „Zusammenfassend hätte die Gemeinde nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen keine Möglichkeit gehabt, das Arbeitsverhältnis mit Herrn (…) durch eine Kündigung rechtswirksam zu beenden oder im Wege einer Anfechtung aufzulösen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Etwaige Verdachtsfälle sind nicht geeignet, die Beendigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.“
Bis heute gab es und gibt es keinen einzigen belastbaren Verdachtsfall, wonach es zu Missbrauchshandlungen des Erziehers in einer Betreuungseinrichtung der Gemeinde Oberhaching gekommen ist. Auch der Beitrag des WDR zitiert bereits aufgearbeitete Mutmaßungen und Gerüchte aus den zurückliegenden Jahrzehnten.
Die Gemeinde Oberhaching hat einen Medienrechtsanwalt beauftragt, rechtliche Schritte gegen den WDR zu prüfen. Eine Rechtsverletzung könnten auch die Aufnahmen von Besuchern der 1275-Jahr-Feier darstellen. Mehr als zweihundert Personen hatten sich bei der Gemeinde gemeldet und sich darüber beschwert, dass sie ohne ihre Zustimmung gefilmt worden seien und ohne zu wissen, in welchem Zusammenhang die Bilder verwendet werden sollten.
Alle aktuellen Informationen zum Thema finden sich auf der Website der Gemeinde:
www.oberhaching.de/kinderschutz