„Kollektiver Kulturgenuss“ | Wochenanzeiger

Was einst die Schäffler waren, die der Legende nach die von der Pest verängstigten Münchner mit Musik und Tanz wieder auf die Straße und damit ins gesellschaftliche Leben lockten, könnte nun das „DJ-Bike“ sein. Bis Oktober soll es zweimal im Monat an verschiedenen Orten Münchens Menschen in ihrem Alltag mit einer Sound-Performance überraschen. „Ziel des DJ-Bikes ist es, Bewohner*innen und Passant*innen einen unkonventionellen Moment des kollektiven Kulturgenusses zu schenken und damit die weit verbreitete Angst und Unsicherheit, unter Menschen zu sein, welche uns die vergangenen zwei Jahre begleitet hat, zu überwinden“, erklären die Initiatoren des Bikes. Je zwei bis vier Künstler sind an einer Session beteiligt. Sie bestücken das Lastenrad mit unterschiedlicher Musik und sorgen an einem Auftritt rund drei Stunden lang für Unterhaltung im Freien.

Das solarbetriebene E-Lastenrad mit integriertem DJ-Pult und Soundsystem rollt demnächst auch über die Schwanthalerhöhe. Am Bavariapark, in der Schwanthalerstraße zwischen Kneipen und Cafés oder auch an der Hackerbrücke, die die beiden Nachbarbezirke Neuhausen-Nymphenburg und Westend verbindet, soll es Halt machen. Auf die Idee, das Musik-Bike durch München fahren zu lassen, kam Initiator Ian Jakab (aka IbuProPhet), selbst DJ, Musiker und Gitarrenlehrer. Er kennt die bereichernde Wirkung von Musik, nachdem er in seiner alten Heimat Chile u.a. Musikworkshops für benachteiligte Kinder in armen Stadtvierteln von Santiago organisierte. Seit 2017 gibt er Musikworkshops im Jugendtreff „MOP“ in Schwabing. 2021 startete er das Projekt „DJ-Bike Soundtrack für die Stadt“. Unerwartet werden dabei Passanten und Nachbarn zu Zuschauern bzw. Zuhörern, wenn das DJ-Bike Station macht, denn die Performances werden nicht wie bei Konzerten üblich vorab angekündigt. „Sie haben entsprechend keine genaue Vorstellung oder Erwartung, anders als bei der absichtsvollen Teilnahme an einer Tanzveranstaltung oder einem Konzert“, erklärt Ian Jakab das Konzept.

„Durch die kommerzfreie Zugänglichkeit (es wird kein Eintritt verlangt) wird ein sehr heterogenes Publikum angesprochen, ein wirklicher Querschnitt der Gesellschaft“, sagt Ian Jakab. „Stimmung zum Mitnehmen“ biete das DJ-Bike an. Nicht nur, dass ein breitgefächertes Publikum angesprochen wird, das in dieser Konstellation der zufälligen Passanten wohl in einem Konzertsaal nicht zuammenkäme. Auch zeigt das DJ-Bike das breite Spektrum der Münchner Musikszene, wenn unterschiedliche DJ*anes auflegen.
Im vergangenen Jahr gelang es trotz der Herausforderungen durch Corona 18 Performances zu realisieren, an denen 15 Künstler und Musiker beteiligt waren. Nicht nur fürs Publikum, sondern auch für die Künstler brachte das Projekt Positives, schließlich ermöglichte das DJ-Bike alternative Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten, die durch Corona notwendig wurden. U.a. sorgte das Bike in Neuhausen für positive Resonanz. Heuer nun werden die Stadtteilbewohner der Schwanthalerhöhe – sofern sie zufällig am Spielort vorbeikommen – in den Genuss des DJ-Bikes kommen und sich „die Frischzellenkur für den urbanen Alltag“ abholen, wie die Macher versprechen.
Gefördert wird das Projekt von Musikfonds e.V. und dem Kulturreferat der LH München.
Mehr Infos zum DJ-Bike bietet die Seite https://dj-bike.de/ im Internet.