„Schlechte Schüler müssen besonders gute Schulen haben. Gute absolvieren ihr Programm fast automatisch.“ Stephan Zahlhaas, Direktor des Erasmus-Grasser-Gymnasiums will eine gute Schule leiten, stößt aber an Grenzen. Rund 1250 Schülerinnen und Schüler besuchen das naturwissenschaftliche Gymnasium an der Fürstenrieder Straße. Zahlhaas: „Wir sind randvoll und haben das Problem großer Klassen.“ Die fünften Klassen hätten bis zu 33 Schüler. Auch in den anderen Klassen seien 28 bis 30 Schüler die Regel. Zahlhaas: „Weniger wären besser.“ Und: „Für die Lehrer ist das ein anstrengendes Geschäft.“ Um Gewalt an der Schule vorzubeugen, passiere am „Grasser“ eine ganze Menge. „Das ist ständiges Thema bei Schülern, Lehrern und Eltern.“ In Vortragsreihen bemühe sich die Schule, zum Beispiel über „Mobbing“ oder „Gewalt im Internet“ aufzuklären. Deshalb werde dem Sozialtraining der Schüler große Bedeutung beigemessen. Trotzdem sagt er: „Die Schulsozialarbeit am Gymnasium ist ein zartes Pflänzchen.“ Der Schulleiter weiß, woran es hapert: „Klar wäre es schön, wenn wir noch fünf Sozialpädagogen hätten. Aber das kostet.“
Nicht nur wegen ihrer Lage bildeten das Erasmus-Grasser-Gymnasium und das Ludwigsgymnasium – beide liegen unmittelbar nebeneinander – ein „Bildungs- und Sozialnetzwerk“, sagt Zahlhaas. Beide Lehranstalten teilen sich manche Räume und eine Schulpsychologin. Gabriele Großmann-Adams ist seit vierzehn Jahren die Ansprechpartnerin für Schüler, Lehrer und Eltern. Der Sozialpädagoge Florian Wiech hat ein Ohr für die fünften bis siebten Klassen des Erasmus-Grasser-Gymnasiums. Die Sozialpädagogin Tatjana Holzapfel ist für die Schülerinnen und Schüler des Ludwigsgymnasiums da. „Es gibt immer mal wieder einzelne Schüler, die schwierig sind“, weiß Zahlhaas. In einer Reihe von Fällen sei bekannt, wie den Jugendlichen geholfen werden könne, zum Beispiel durch die Unterbringung in einem Internat. Die Finanzen des Jugendamts seien jedoch begrenzt. Wenn’s darum gehe, die richtigen Erziehungshilfen zu finden, so Zahlhaas, arbeite die Schule sehr gut mit den Sozialbürgerhäusern zusammen.
Am Ludwigsgymnasium sei die Lage völlig anders, sagt dessen Leiter Anton Bauer. Von den 860 Schülern seien 75 Prozent Mädchen. Die seien gut erzogen und kämen aus gutem Haus. Bauer: „Die Buben sind bei uns die Hähne im Korb.“ Probleme mit Gewalt sieht Bauer am Ludwigsgymnasium nicht. „Wir haben weder eine Gewalt- noch eine Drogenszene. Klar zicken die Mädchen auch mal, aber die gehen anders damit um.“ Trotzdem gebe es Mediationskurse, in denen Schüler zu Streitschlichtern ausgebildet würden. Eigentlich aber seien keine Streitereien zu schlichten.
Tatjana Holzapfel kennt auch andere Seiten bei den Schülerinnen. Sie wird oft von ihnen angesprochen. „Die Mädchen kommen entweder zu Hause nicht klar. Manche haben Probleme mit ihrer sexuellen Orientierung oder fühlen sich dem allgemeinen Schönheitsdruck nicht gewachsen.“ Das müsse angepackt und gelöst werden, sonst könnten selbst kleine Probleme irgendwann eskalieren. Holzapfel: „Mädchen richten Aggressionen gegen sich selbst. Jedes dritte neigt zu gestörtem Essverhalten. Es wäre ein Wunder, wenn unsere Schule davon ausgenommen wäre.“ Der Sozialpädagogin kommt es darauf an, eine Beziehung zu den Schülern aufzubauen, Glaubwürdigkeit zu vermitteln und in Kontakt mit ihnen zu bleiben. Sie erschreckt: „Die Jugendlichen haben oft niemand, dem sie sich wirklich anvertrauen können.“ Dabei ist sie sich sicher: „Das Kind ist nicht das Problem. Es ist ein Seismograph, der irgendetwas aufzeigt, was außen herum nicht stimmt.“
„Wir sind sehr stark präventiv tätig.“ Für Florian Wiech beginnt das schon bei der Pausen- und Mittagsbetreuung. Wenn er zum Beispiel beobachte, dass sich ein Schüler zurückziehe, tausche er sich mit dem Lehrer aus, um mit ihm gemeinsam zu überlegen, was zu tun sei. Was in einer Klasse los sei, könne zum Beispiel die „Klassen-Klima-Konferenz“ klären. Er ist immer dabei, wenn die Schüler im neuen Spielzimmer lesen, spielen oder ratschen. Wiech: „Durch das G 8 haben die Jugendlichen oft bis zu neun Stunden Unterricht. Das sind lange Nachmittage.“ Wiech und Holzapfel sind sich einig: „Die Kinder müssen soziales Verhalten erlernen und so erfahren, wie Konflikte gelöst werden können.“ „Soziale Bausteine“ der Gruppenarbeit sind für Wiech die Projekte „Zammgrauft“ mit der Polizeiinspektion 41 oder die Ausbildung von Mediatoren, um Streitigkeiten schlichten zu können. Am Schönsten ist sowohl für Tatjana Holzapfel als auch für Florian Wiech, wenn sie spüren, da wandeln sich bei den Schülern Misstrauen, Wut und Angst in Vertrauen.