Von Stefan Dohl
Wer seinen Bekannten erzählt, dass er jeden Tag mit dem Auto durch München zur Arbeit fährt, erntet von vielen nur mitleidiges Kopfschütteln. Gute Nerven braucht jeder, der sich in die werktägliche Blechlawine an Berufspendlern einreiht. Der Stau auf den Ringen der Stadt ist zu Stoßzeiten vorprogrammiert. Alleine 87 Stunden stand jeder Münchner Autofahrer laut dem Verkehrsinformationsanbieter Inrix vergangenes Jahr im Stau. Damit ist München die unangefochtene "Stau-Hauptstadt" Deutschlands und hat selbst verkehrsgeplagte Städte wie Berlin, Düsseldorf oder Hamburg (66, 50 und 48 Stau-Stunden) weit hinter sich gelassen.
Was also tun? Im gefühlt besonders staureichen Corona-Sommer wurde in München das Thema "City-Maut" wieder heftig diskutiert. Im Auftrag der Industrie- und Handelskammer hat das Ifo-Institut zusammen mit der Münchner Beratungsfirma Intraplan eine vielbeachtete Studie vorgelegt, die sich für eine "Anti-Stau-Gebühr" innerhalb des Mittleren Rings ausspricht. Die Idee: Ähnlich wie bereits in London, Stockholm oder Singapur soll jeder Autofahrer für eine Fahrt in die Innenstadt zahlen müssen. Für München würde das bedeuten, dass jedes Fahrer eines motorisierten Fahrzeug auf dem Mittleren Ring sechs Euro pro Tag bezahlen soll. Damit würde sich das Verkehrsaufkommen - laut Studie - um 23 Prozent verringern. Würde die Stadt zehn Euro verlangen, wären es sogar 30 Prozent weniger Autos auf Münchens Straßen.Eine finanziell harte Maßnahme für Berufspendler, Handwerker und Zulieferer. Die Umsetzung ist allerdings unwahrscheinlich. Im Rathaus, beim ADAC und auch beim Handelsverband Bayern stößt die Maut auf wenig Begeisterung. Letzterer sprach sogar vom "Tod für den innerstädtischen Einzelhandel".
Soweit soll es natürlich nicht kommen. Statt einer Anti-Stau-Gebühr will die Stadt München darauf hinwirken, dass die Münchner künftig häufiger ihr Auto stehen lassen. Doch dafür braucht es Anreize. Das Thema "Mobilität" steht unter dem Motto „München steigt um“ daher im Zentrum der städtischen Klimaschutzkampagne "München Cool City". Doch um was genau geht es? „Wir möchten alle Bürgerinnen und Bürger für klimafreundliche Mobilität begeistern und dazu einladen, verschiedene Verkehrsmittel auszuprobieren", so Dieter Reiter, Oberbürgermeister und Schirmherr von München Cool City. "Ob mit dem Öffentlichen Personennahverkehr, zu Fuß, per Rad oder mit E-Mobilität – klimafreundliche Verkehrsmittel lassen sich oft praktisch und leicht in den eigenen Alltag einbinden.“ Der Tenor, wer in der Stadt nicht mit dem Auto fährt, braucht nicht unbedingt länger und tut was Gutes für das Stadtklima. Wie das funktioniert, darüber soll die Kampagne aufklären. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden: „Nachhaltig in der Stadt unterwegs zu sein – das geht leichter als man denkt. Das Klimaschutzportal coolcity.de" class="auto-detected-link" target="_blank">www.coolcity.de hilft mit praktischen Tipps und bietet Anregungen zur klimafreundlichen Mobilität, etwa zum persönlichen CO2-Sparpotenzial. Der motorisierte Verkehr ist für einen erheblichen Teil der Emissionen verantwortlich, wir investieren deshalb in den Ausbau des ÖPNV und der Radinfrastruktur“. Zudem bietet das Münchner Mobilitäts-Gewinnspiel noch bis 31. Oktober Wissenswertes rund ums Thema Mobilität in München. Bei der Beantwortung der Quizfragen helfen auch die Mobilitätsfakten auf den imposanten C-Skulpturen, die seit nun zwei Jahren das Stadtbild mitprägen. Am Lenbachplatz, am Odeonsplatz und am Siegestor kann direkt vor Ort mittels QR-Code oder direkt über coolcity.de online gerätselt werden. Alleinunterhalter "Harry G" unterstützt die Kampagne mit Clips, Funkspots und ist als Werbebotschafter für München Cool City im Einsatz. „München Cool City zeigt, dass Klimaschutz Spaß machen kann und dass jeder noch so kleine Beitrag zählt. Dafür engagiere ich mich gerne und bin sicher, alle anderen Münchnerinnen und Münchner auch“, meint Markus Stoll alias Harry G.
Doch ändert sich durch diese Kampagne etwas an der großen Münchner Blechlawinen-Show? Wohl kaum. Aber es ist ein Anfang. Mut macht, dass trotz der horrenden Stau-Zahlen durchaus Voraussetzungen für klimafreundliche Mobilität in München vorhanden sind: In 84 Prozent der Münchner Haushalte gibt es mindestens laut einer repräsentativen Umfrage ein Fahrrad und 42 Prozent der Münchner sind täglich mit der MVG unterwegs. Etwa ein Viertel aller Haushalte kann sich vorstellen, bei Bedarf in nächster Zeit ein E-Bike oder Pedelec zu kaufen. Genauso viele Münchner wären bereit ein Elektroauto zu fahren. Denn dann ist man auch mobil, wenn wie in dieser Woche Busse, U-Bahnen und Tram bestreikt werden und kommt trotzdem "sauber" an sein Ziel.
München Cool City ist die langfristig angelegte und in Deutschland einzigartige Klimaschutzkampagne der Stadt. Sie wurde vom Referat für Gesundheit und Umwelt im September 2018 gestartet, um die Münchner Stadtgesellschaft gemeinsam mit Münchner Akteuren, Vereinen und Verbänden in besonderer und vielfältiger Weise, beispielsweise mit Aktionen, aufmerksamkeitsstarken Events, Newslettern, Infobroschüren und auch über das ansprechende Klimaschutzportal www.coolcity.de für die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und motivieren. München Cool City widmet sich jedes Jahr einem Thema, das eine besondere Bedeutung für den Klimaschutz hat, wie etwa Energie, Mobilität oder Konsum. Den Anfang machte das Jahr der Energie, gefolgt vom Themenjahr der Mobilität.