Ein dunkles Kapitel
Am Freitag, 1. Mai, stellte der Erdinger Historiker Giulio Salvati auf dem Internetportal www.erding-geschichte.de eine neue Datenbank mit Namen, Arbeitgebern und Einsatzorten von etwa 4.000 ausländischen Zivil- und Zwangsarbeitern vor, die zwischen 1939 und 1945 im Landkreis Erding gelebt und gearbeitet haben. In Kooperation mit dem Museum Erding digitalisierten Salvati und neun freiwillige Helfer alle auffindbaren “Arbeitskarten” des damaligen Arbeitsamt Freisings, Außenstelle Erding, aus dem Staatsarchiv München. Diese Karten enthalten in erster Linie Informationen zur Biographie der Zwangsarbeiter und sollen zur Erinnerung und Aufarbeitung des geschehenen Unrechts beitragen. Viele der ausländischen Frauen, Männer und Kinder mussten unter Zwang ihre Heimat verlassen, erduldeten mancherorts Repression, Unterdrückung sowie Gewalt und finden trotzdem bis heute in keinem Denkmal des Landkreises Erwähnung. Auf der anderen Seite haben viele Bauern und Unternehmer von ihnen profitiert – unabhängig davon, ob sie der Ideologie freundlich oder feindlich eingestellt waren, ob sie nur die Produktion aufrechterhalten wollten oder aus Überzeugung gehandelt haben. So verfolgt die Datenbank auch den Zweck, die Rolle der Zwangsarbeit für die lokale Wirtschaft sichtbar zu machen. Außerdem finden betroffene Menschen und deren Nachkommen mit der Datenbank Anhaltspunkte, um sich mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen zu können, ganz gleich ob aus dem Erdinger Landkreis oder aus dem Ausland. Zu diesem Zweck wird die Datenbank auch weiter ausgebaut, sobald eine weitere Finanzierung gesichert ist, denn noch steht die Erfassung von etwa 4.000 weiteren Dokumenten aus. Die Veröffentlichung der Datenbank erweitert die Familienforschung in Erding, die nun erstmals das Kapitel Zwangsarbeit während der NS-Zeit im Landkreis sichtbar macht und diesbezüglich eine offene Diskussionskultur fördern möchte. Außerdem bietet das Portal den Nachkommen von ehemaligen Zwangsarbeitern erste Anhaltspunkte, ihre eigene Familiengeschichte zu erforschen. Damit steht Erding nicht allein dar, etliche Initiativen im Umland wie in Moosburg, Mühldorf, Dorfen und Wasserburg haben sich der Aufarbeitung bislang vergessener NS-Verbrechen gewidmet.
06.11.2020 02:26 Uhr
query_builder4min